Altlasten und noch mehr Verkehr

  • Beitrags-Kategorie:Kolumne
  • Lesedauer:4 min Lesezeit

Die Papierfabrik expandiert im Gelstertal. Nebenwirkungen davon bekommen die Bürgerinnen und Bürger zu spüren: Der Lieferverkehr steigt beständig. Geht es nach DS Smith, dann soll das so bleiben.

Von Matthias Klipp

Die Standortentscheidung für die Papierfabrik im Gelstertal wurde Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts getroffen – und zwar auf der Grundlage eines funktionierenden Gleisanschlusses. Dieser war auch bis 2001 in Betrieb und wurde gestrichen, als die Deutsche Bahn unter ihrem ehemaligen Chef Hartmut Mehdorn börsentauglich gemacht werden sollte. Anders ausgedrückt: Heute würde niemand eine solche Fabrik ins Gelstertal bauen, weil die Verkehrsanbindung nicht optimal ist. Aber nun ist sie da, und wir haben das Malheur.

Immer mehr Lieferverkehr

Seit 2001 wird also der komplette Lieferverkehr auf der Straße abgewickelt. Lkw bringen Altpapier zu DS Smith und fahren leer wieder zurück, sie holen fertige Produkte ab und fahren leer hin. Das macht etwa 350 Fahrten pro Tag, die Fahrten sind durch mehrere Kapazitätserhöhungen noch gestiegen. 2005 erfolgte die Umstellung der Energieversorgung der Papierfabrik von Erdgas auf Müllverbrennung – und 70 weitere Lkw bringen täglich Müll und fahren leer zurück, macht weitere 140 Fahrten. Die Genehmigung zum Bau der Müllverbrennung wurde von der Stadt Witzenhausen übrigens bedingungslos erteilt. Wie auch die Zustimmung zur Kapazitätserhöhung. Alles natürlich ohne Beteiligung der Öffentlichkeit.

In diesem Zusammenhang wurden auch die Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid von 2005 gestrichen, wonach das Unternehmen eine regelmäßige Prüfpflicht hatte, ob ein Bahntransport eine Alternative sein kann. Auch die Obergrenze der Lkw pro Tag und sowie das Fahrverbot am Wochenende entfielen. Jetzt sind es 160 Müll-Lkw, die rund um die Uhr an jedem Wochentag angeliefert werden können.

Neue Lkw-Zufahrt und Straßenausbau

Mittlerweile stößt der Lieferverkehr an die Grenzen der vorhandenen Infrastruktur. Ein Problem ist das für DS Smith aber nicht. Die Stadt Witzenhausen erfüllt dem Unternehmen jeden Wunsch. Es möchte eine zweite Lkw-Zufahrt vorbei am Gelsterhof und Wohnhäusern? Gern! Die Stadt erstellt einen Bebauungsplan. Die B 451 ist nicht Lkw-gerecht? Kein Problem. Die Stadt plant zusammen mit der ausführenden Behörde Hessen-Mobil eine Verbreiterung der Straße und den Bau einer neuen Brücke über die Werra. Damit wird der Verkehr in Witzenhausen noch einmal steigen. Für Zufußgehende, Radfahrende, Anwohnerinnen und Anwohner sowie Kinder in der angrenzenden ökumenischen Kita wird die Belastung steigen. Die Lebensqualität im Stadtpark, am Teich, am Diebesturm und an der Werrawiese wird merklich abnehmen.

Im Juli 2024 wurde im Bauausschuss ein Gutachten vom Logistikdienstleister Ederlog zum Gleisanschluss vorgestellt und eine Mitteilungsvorlage der Stadtverwaltung zur Kenntnis genommen, von der man den Eindruck hat, die Stadt habe sich die von DS Smith schreiben lassen. Demnach ist es nämlich furchtbar schwierig und sooooo teuer, den Verkehr wieder auf die Schiene zu bringen. Angeblich kostet der Gleisanschluss auf dem Betriebsgelände 20 Millionen Euro. In der Sitzung ist klargeworden: Die Stadt will keine weiteren Schritte zur Aktivierung des Gleises unternehmen. Damit soll sich doch besser die nächste Generation rumärgern, aber nicht diejenige, die das Problem verursacht hat.

Fehlende Verantwortung

Übrigens: DS Smith spart seit 2005 jedes Jahr 14 Millionen Euro Energiekosten durch die Umstellung der Energieversorgung auf Müllverbrennung. Sie zieht den Nutzen aus dem Standort, will aber im Gegenzug keine Verantwortung für die negativen Begleiterscheinungen übernehmen. Alles nach dem Motto: Privatisierung der Gewinne und Vergesellschaftung der Lasten. Das ist weder sozial- noch christdemokratisch, wird aber von der schwarz-roten Koalition im Stadtparlament exekutiert. Bis heute. Dabei ist eine andere Politik sowohl zum Wohle des Unternehmens als auch den Witzenhäusern möglich. Und dringend notwendig!