Comeback der Gelstertal-Bahn?

Die Gelstertalbahn von Eichenberg nach Großalmerode wurde 2001 stillgelegt. Entwidmet ist sie nicht.

17,6 Millionen Euro kostet die Reaktivierung der Gelstertalbahn von Eichenberg in das südlich der Witzenhäuser Kernstadt gelegene Industriegebiet. Das hat das von der Stadtverordnetenversammlung in Auftrag gegebene Gutachten der Firma Ederlog ergeben. 2001 fuhr dort der letzte Güterzug auf der rund fünf Kilometer langen Strecke. Seitdem liegt die Trasse im Dornröschenschlaf; sie wurde stillgelegt, aber nicht entwidmet.
Fakten geschaffen hat inzwischen der Papierhersteller DS-Smith. Das größte Unternehmen im Industriegebiet hat Teile des Gleises auf seinem Firmengelände überbaut. Alle Firmen im Gelstertal wickeln ihre Logistik seit der Stilllegung komplett mit Lastwagen auf der Straße ab, was die Bevölkerung im gesamten Werratal erheblich belastet.
 

Günstiger als Straßenausbau

Ederlog erklärte bei der Präsentation des Gutachtens am 2. Juli im Bau- und Verkehrsausschuss, dass sich in den vergangenen Jahren der Zustand der Bahntrasse zwar erheblich verschlechtert habe; allerdings sei die Weiche unweit des Bahnhofs Eichenberg noch vorhanden, und die Brücke über die Werra weise keine fundamentalen Schäden auf. Eine Sanierung koste rund 9,5 Millionen Euro. Festzuhalten bleibt, dass eine Reaktivierung der Trasse deutlich günstiger wäre als der geplante Ausbau der Bundesstraße 451. Alleine der Neubau der Brücke über die Werra in Witzenhausen würde laut der Planungsbehörde Hessen-Mobil mindestens 22 Millionen Euro kosten.

Die Kosten für den Straßenausbau trägt allerdings der Bund. Bei der Reaktivierung des Rangiergleises müsste die Kommune die Finanzierung übernehmen. Darauf wies Bürgermeister Lukas Sittel (SPD) in der Sitzung hin. Förderungen vom Bund und Land wären möglich – je nach Programm betragen sie laut Gutachten 50 bis 80 Prozent. Es wäre also eine Willensentscheidung, den Unternehmen im Gelstertal nahezulegen, auf die umzustellen, weil es eine Zumutung für die Stadtgesellschaft ist, den Verkehr komplett auf die Straße zu verlegen.

Appell zur Verantwortung

„Die Unternehmen müssen sich zu ihrer Verantwortung für die Stadtgesellschaft und der Umwelt bekennen“, sagte Matthias Klipp, Vorsitzender des BUND Witzenhausen/Neu-Eichenberg der Verkehrswende. „Die Zeiten der Privatisierung von Gewinnen bei gleichzeitiger Vergesellschaftung der Belastungen sollten der Vergangenheit angehören. Und die Stadtverordneten müssen den Beschlüssen zum Nachhaltigkeitsfahrplan 2030 und dem Label ‚Klimakommune‘ endlich Taten folgen lassen.“ Auch das Regierungspräsidium Hessen regt im aktuellen Lärmaktionsplan zu einem Umlenken an: „Die Reaktivierung der Gelstertalbahn und die damit verbundene Verringerung des Anlieferverkehrs würde sowohl die Kernstadt als auch den Stadtteil Wendershausen verkehrlich entlasten“, heißt es darin.

Doch DS Smith betrachtet das offenbar als eine Zumutung. Das Unternehmen wurde von der Stadtverwaltung um eine Stellungnahme gebeten und betont darin den erheblichen Aufwand bei der Einrichtung eines Gleisanschlusses auf dem Betriebsgelände. Es beziffert die Kosten dafür auf 24,9 Millionen Euro, weil die Lkw-Zufahrt zu dem Werk verlegt werden müsse. Außerdem sei die Logistik mit ihren Kunden nicht mehr auf einen Bahnverkehr ausgerichtet. Auch das Unternehmen Essitiy, das im Gelstertal Hygieneartikel herstellt, erklärte dem Vernehmen nach, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirtschaftlich wäre, die Logistik auf die Bahn umzustellen.

Unwillen in der Kommunalpolitik

Die Signale aus der Kommunalpolitik sind eindeutig: Ohne Bereitschaft der Unternehmen sei die Umstellung auf die Bahn nicht durchzuführen, darauf legten sich sowohl die Stadtverwaltung wie für die regierende Koalition von SPD und CDU und der Kreisverwaltung fest. Nach einer jahrzehntelangen Vernachlässigung der Schiene sind die Hürden für einen klimafreundlichen Verkehr jetzt offenbar hoch. Auch wenn ihr eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele zukommen soll. „Ein bestehender Gleisanschluss, der lediglich reaktiviert werden muss, kann ein bedeutender Standortvorteil sein“, sagte dagegen Matthias Klipp, „da in Zukunft infolge der erwarteten Wetterkapriolen die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen werden.“

Wenn der öffentliche Nahverkehr eine größere Bedeutung bei der Mobilität erhalten soll und ländliche Gebiete im Werra-Meißner-Kreis nicht mehr abgehängt sein sollen, dann komme der Gelstertalbahn künftig eine tragende Bedeutung zu, erklärte Silvia Hable (Bunte Liste) in der Ausschusssitzung. Diese bis jetzt scheinbar unbedeutende Nebenstrecke könnte in einer südlichen Verlängerung nach Hessisch-Lichtenau und dem Anschluss nach Göttingen der Schlüssel für einen funktionierenden Nahverkehr sein.

Draisinenfahrt auf der stillgelegten Trasse.

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